Muttertag im Ausnahmezustand

von Marion Lück

Heute ist Muttertag – und damit ein guter Tag, um „Danke“ zu sagen! Danke für die 24/7 Betreuung ohne Kita und ohne Großeltern! Danke für das Homeschooling der letzten Wochen! Danke für die manchmal viel zu selbstverständlichen Tätigkeiten, die ein Familienleben am Laufen halten!

Mutter sein in Corona-Zeiten

Ich selbst bin Mutter eines 14-jährigen Sohnes und erfahre gerade hautnah, welche gravierenden Auswirkungen die Corona-Pandemie auf unser Familienleben hat.

Die letzten Wochen haben unseren bisherigen Alltag völlig auf den Kopf gestellt. Der Schulbetrieb ist zwar unter strengen Auflagen und mit erheblichen Einschränkungen wieder aufgenommen worden – und auch Kitas sollen möglichst bald wieder geöffnet werden. Von einem Normalbetrieb sind wir aber noch so weit entfernt wie die Erde vom Mond. Was bedeutet das speziell für uns Mütter?

Mütter an der Belastungsgrenze

Seit fast sieben Wochen können Kinder weder Kitas, Spielplätze, Freunde, Großeltern oder Vereine besuchen. Stattdessen sind Homeschooling und Betreuung durch die Eltern angesagt. Gleichzeitig sollen Eltern aber auch während dieser Zeit arbeiten – bevorzugt im Homeoffice, wenn das möglich ist. Was für eine große Belastung, gerade wenn die Kinder kleiner sind!

Genau so erlebt es eine Freundin von mir, die zusammen mit ihrem Mann im Homeoffice arbeitet. Immer mit dabei: ihre beiden Kinder, 3 und 7 Jahre alt. Sie erzählt von permanenter Müdigkeit und Gereiztheit, kleineren Streitereien, die es sonst nicht gegeben hat. Sie hat das Gefühl, niemandem gerecht zu werden: ihrer Arbeit nicht, ihren Kindern nicht, ihrem Mann nicht. Zeit für sich selbst? Hat sie schon lange nicht mehr und spielt auch aktuell keine Rolle. Viel drängender für sie und ihren Mann ist die Frage: Wie geht es weiter?

Noch schwieriger ist die Situation für Alleinerziehende. So berichtete mir eine Bekannte mit vier Kindern, wie fassunglos sie war, als sie von einer Lehrerin darauf hingewiesen wurde, dass bei einem ihrer Kinder von 16 Aufgaben 5 fehlten… Und das nach einem 14-Stunden-Tag zwischen Haushalt, Homeschooling und Kinderbetreuung!

Corona und die Gleichstellung

In den vergangenen Jahren ist die Zahl der erwerbstätigen Mütter deutlich gestiegen. Anders als frühere Krisen betrifft die Corona-Pandemie allerdings häufig typische Frauenjobs: in der Gastronomie, im Tourismus, in Servicebereichen. Außerdem arbeiten viele Frauen in Teilzeit. Beides befördert kurzfristig eher tradierte Rollenbilder, das heißt: Viele Frauen übernehmen momentan die Hauptlast bei der Kinderbetreuung und auch im Haushalt.

Zugleich gibt es aber auch gegenläufige Entwicklungen: Väter nehmen ihre Rolle zunehmend anders wahr, digitale Arbeitsweisen werden massiv ausgebaut, Telefon- und Videokonferenzen nehmen erheblich zu, Arbeitszeiten werden flexibler gestaltet. Das macht Hoffnung. Wenn wir diese veränderten Rahmenbedingungen dauerhaft erhalten können, ist auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zumindest in einzelnen Berufszweigen leichter.

Kurzfristig ist aber keine wirkliche Entlastung in Sicht. Solange Kitas und Schulen nicht wieder voll einsatzfähig sind, bleiben viele Mütter durch die Doppelbelastung von Arbeit und Kinderbetreuung stark belastet.

Eine Frage der Haltung

Ich würde mir wünschen, dass jede Mutter, jede Familie frei entscheiden kann, wie sie ihr Familienleben gestalten möchten: Muttersein ohne und mit Job, in Teilzeit oder Vollzeit. Dafür braucht es klare Rahmenbedingungen, z.B. eine verlässliche Kinderbetreuung. Und noch eines braucht es: eine andere Haltung. Eine Haltung, die Familien viel stärker in den Mittelpunkt rückt.

Ich wünsche Ihnen heute einen schönen Muttertag – meinen Applaus haben Sie sicher!

Herzlichst

Ihre Marion Lück (Bürgermeister-Kandidatin Kommunalwahl 2020 Wermelskirchen)